Zum Schwob

Schwäbische Uhrzeit

Schwäbische Lesart der Uhrzeit

Ich gebe zu, dass unsere schwäbische Zeitangaben für Nichtschwaben nur sehr schwer zu verstehen sind. Aber es gibt eine sogenannte „Eselsbrücke“. Stellen Sie sich vor, die Uhr ist ein Kuchen. Und nun teilen wir den Kuchen in 4 gleiche Teile auf.

Von der 1. bis 15. Minuten nach jeder vergangenen vollen Stunde ist im Verständnis eines Schwabens „ein viertl“ an Zeit bis zur nächsten volle Stunden verstrichen. In meinem Beispiel ist 14:15 Uhr = viertl drei

Von der 16. bis zur 30. Minute vergeht ein weiteres Viertel an Zeit bis zur nächsten vollen Stunde. Ergo, ist "die Hälfte" des Kuchens erreicht. In meinem Beispiel ist 14:30 Uhr = halb drei

Von der 31. Minute bis zur 45. Minute vergeht ein weiteres Viertel bis zur nächsten vollen Stunde. Somit kommnt der Schwabe auf "drei Viertel". In meinem Beispiel ist 14:45 Uhr = dreiviertl drei

Der Rest bis zur 60. Minuten umfasst das letzte Viertel. Man kann es auch als Ergenis ausweisen: Die volle Stunde umfasst "vier Viertel" ("Eselsbrücke"). In meinem Beispiel ist 15:00 Uhr = drei


Ausnahmen in diesem „Viertel-System“:
Die ersten 9 Minuten der nun folgenden Stunde werden sprachlich (und mathematisch) „Minutengenau“ der vorangegangenen Stunde vorangestellt.
14:04 Uhr ... vier nach zwoi
14:09 Uhr ... nei nach zwoi

Ab der 10. Minute springt die Zeitangabe zum ersten „viertl“ der nun folgenden Stunde.
14:10 Uhr ... fenf vor viertl drei
14:13 Uhr ... zwoi vor vietl drei
14:15 Uhr … genau … viertl drei isch es

Die nächsten 4 Minuten (!) der nun folgenden Uhrzeitangabe werden sprachlich (und mathematisch) „Minutengenau“ der vorangegangenen viertel Stunde vorangestellt.
14:16 Uhr ... ois nach vietl drei
14:19 Uhr ... vier nach vietl drei

Von der 20. bis zur 29. Minute vollzieht ein Schwabe die gedankliche Kucheneinteilung vorauseilend fort und bindet die nächst folgende „halba“ (1/2) als minutengenaue Zeitangabe ein.
14:20 Uhr ... zea vor halba drei
14:24 Uhr ... sechs vor halba drei
14:29 Uhr ... ois vor halba drei
14:30 Uhr … genau … halba drei isch es

Jetzt ist es aber einfach! Die nächsten 9 Minuten (!) der nun folgenden Uhrzeitangabe werden sprachlich (und mathematisch) „Minutengenau“ der vorangegangenen halben Stunde vorangestellt.
14:31 Uhr ... ois nach halba drei
14:34 Uhr ... vier nach halba drei
14:39 Uhr ... nein nach halba drei

Wenn ein Schwabe eines kann, dann logisch denken. Aus diesem Fundus des Denkens abschöpfend, folgt die nächste Zeitangabe über „halb“ hinaus! Von der 40. bis zur 44. Minute vollzieht ein Schwabe die gedankliche Kuchenteilung erneut vorauseilend fort und bindet die nächst folgende „dreiviertl“ (3/4) Stunde als minutengenaue Angabe in die Wiedergabe seiner Uhrzeit ein.
14:40 Uhr ... fenf vor dreiviertl drei
14:44 Uhr ... ois vor dreiviertl drei
und dann?
14:45 Uhr … genau … dreiviertl drei isch es

Wie gehabt … Übung macht den Meister! Die nächsten 4 Minuten (!) der nun folgenden Uhrzeitangabe werden sprachlich (und mathematisch) „Minutengenau“ der vorangegangenen dreiviertel Stunde vorangestellt.
14:46 Uhr ... ois nach dreiviert drei
14:49 Uhr ... vier nach dreiviertel drei

Ab jetzt müsste die schwäbische Logik auch bei Ihnen verinnerlicht sein. Genau! Nun folgt die nächste Zeitangabe über die vergangene „dreiviertel“ hinaus und bindet innerhalb der Minutenangabe die nächst folgende volle Stunde mit ein.
14:50 Uhr ... zehn vor drei
14:53 Uhr ... sieba vor drei
14:61 Uhr Grasdaggele … des giabst net


Kurzfassung:
14:01 Uhr bis 14:09 Uhr = nach der vorangegangenen Stunde
14:10 Uhr bis 14:14 Uhr = vor dem 1. Viertel
14:15 Uhr = das 1. Viertel eines Kuchens
14:16 bis 14:19 = nach dem 1. Viertel
14:20 bis 14:29 = vor dem 2. Viertel
14:30 Uhr = die Hälfte eines Kuchens
14:31 Uhr bis 14:39 Uhr = nach der Hälfte
14:40 Uhr bis 14:44 Uhr = vor dem 3. Viertel
14:45 Uhr = das 3. Viertel eines Kuchens
14:46 Uhr bis 14:49 Uhr = nach dem 3. Viertel
14:50 Uhr bis 14:59 Uhr = vor der ganzen Stunde
15:00 Uhr = jetzadle schellad de Kirchaglogga vier mol uff dia volla Stond ond drei mol weils dreie isch.

Ich hoffe,
dass ich Ihnen die schwäbische Lesart der Uhrzeit etwas aufschlüsseln konnte.


Bis die Tage ...
Euer Schwob



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