Das urschwäbische Zitat von Götz von Berlechingen
Leck mich doch am Arsch
Dieser Ausdruck wird im übrigen Deutschland meist als typisch schwäbisches Schimpfwort und mitunter auch als Beleidigung interpretiert. Dabei verwendet der nach Konsens strebende Schwabe den Ausdruck "Leck mich am Arsch" fast immer in einen ganz anderen Sinn und Zusammenhang als man dies vermuten könnte.
Da war es, das beliebte "Götz-Zitat", dessen literarischer Ursprung bei Johann Wolfgang von Goethe zu finden ist. In seinem Schauspiel "Götz von Berlichingen" lässt der Dichter seinen Protagonisten sagen: "Er aber, sag"s ihm, er kann mich im Arsche lecken." Auch Wolfgang Amadeus Mozart setzte dem Zitat ein Denkmal mit seinem sechsstimmigen Kanon "Leck mich im Arsch" von 1782.
So wollte Götz von Berlichingen im Zuge des bekannten Zitates den Kaiser ganz sicher nicht "grüßen", sondern Götz von Berlichingen wollte ganz einfach vom Kaiser in Ruhe gelassen werden.
Lassen Sie uns die Sache mit dem „… am Arsch“ einmal in Anlehnung an unterschiedliche Lebenssituationen aus Schwabensicht betrachten und abschließend neu bewerten: "Leck mich am Arsch" zu sagen ist z. B. dann völlig unbedenklich, wenn der Ausdruck zwischen zwei Schwaben ausgetauscht wird, um z.B. an ein vorangegangenes Gespräch anzuknüpfen: … jetzt lecksch me aber scho am Arsch, des was de ebba gsagt hoscht, interessiert me fei scho …
Auf der anderen Seite tauschen sich die gleichen Schwaben unter-einander gerne mit dieser „Endformel“ aus, wenn jeweils einer von beiden ein unangenehmes Gespräch beenden will: … jetzt lecksch me aber scho am Arsch, i hätt net glaubt, dass es so ebbes gibt, von so oinem Glomb will i fei nix wissa …
Im Gespräch mit seiner Frau
Ein Schwabe fährt, auf Initiative seiner Frau, mehr als 40 Kilometer mit dem Auto, um ein befreundetes Ehepaar zu besuchen. Aus Gründen der bekannten schwäbischen Sparsamkeit hat die Ehefrau den Besuch nicht vorher angekündigt (telefonieren … koschdet Gebühra, dia ko ma sich spara … s`Benzin koscht scho gnuag). Man wollte die Beiden überraschen, so der Vorsatz der Ehefrau.
S`kommt, wias komma muas. De zwoi Granadaseggel send net dohoim.
In solchen Situationen kann es durchaus vorkommen, dass der Schwabe seine bessere Hälfte mit einem Allerweltsausdruck bedacht: Sodele, jetzt leck me doch glei am Arsch, worum hoscht net vorher a`gläutet"? (also, vorher telefoniert) … no hätt mer uns d Weg spara kenne … des Benzin koscht me jetzt an Kaschda Dinkelacker … i verdurscht no wega Dir
… der Schwabe neigt manchmal zu Übertreibungen, wenn es um sein Geld geht …
Überraschung / Begegnung
Sollte ein Schwabe seinen Nachbarn (seit Jahren ungeliebten; wegen dessen unsachgemäß ausgeführter Kehrwoche) in der Toilette vom Dinkelackerzelt auf dem Canstatter Wasen treffen, dann wird er vermutlich diesen, ob seiner „bescheidenen Freude“, mit den Worten begrüßen: "Jetzt lecksch me doch glatt am Arsch, mei Nachbar isch au hier!"
Diese Form der Begrüßung besteht im engeren Sinne jedoch aus zwei Aussagen: Im ersteren eine Feststellung dazu, dass die Welt so unendlich groß ist, dass es fast schon einer Gottesstrafe gleich kommt, diesen Grasdackel von Nachbarn hier im Allerheiligsten vom Dinkelackerzelt zu begegnen … und im zweiten Teil, die unterschwellige Fragestellung, ob der Herr Nachbar sich auf dem Volksfest so viel Bier hat leisten können, dass er hier an Ort und Stelle pinkeln muss.
Unter Freunden / Geld
Eine ungleich heiklere Situation tritt z. B. dann ein, wenn ein Schwabe von seinem nichtschwäbischen Freund um Geld angepumpt wird. Jeder weiß, dass solch ein Ansinnen mit der größten Wahrscheinlichkeit zum Verlust des Geldes führen wird. Jetzt kommt die Stunde des schwäbischen Charmes:
"Oh, do leckscht me dann scho am Arsch", jetzt hoscht me uff`m falscha Fuaß verwischt … i ko grad net, mei Frau hot eikauft.
Mit einem geübt begleitenden schwäbischen Trauerblick zu seiner getätigten Aussage, wird der Schwabe versuchen, sein Geld zu behalten.
Im Dialog
Die Schwaben untereinander können auch anders, ohne dass das „Zitat“ im engeren Sinne ausgesprochen wird.
Im Falle dessen, dass sich zwei Schwaben in einem Streit lautstark überwerfen, neigt einer der beiden stets dazu, zum Zitat auszuholen … bereits bei der ersten Lippenbewegung des einen Schwabe zu einem „ Jetzt le… „, kontert der zweite Schwabe pfeilschnell mit den Worten „Du mi au“
… damit ist, z. B. an der Theke von beiden Kontrahenten alles gesagt, was in einem Streitgespräch untereinander gesagt werden musste, … und beide Kontrahenten gehen gleichwohl zur Tagesordnung über und trinken gemeinsam in aller Ruhe ihren Trollinger weiter.
Wütend
Aber Achtung! Wenn ein Schwabe zur Weißglut gebracht wird, kann er seine gute Kinderstube verlieren.
"Jetzt koscht me fei kreuz- und quer an meim Allerwerteschda lecka“
Die absolute Steigerung seines Wutanfalles beruft sich auf die abschließende Fragestellung: „hoscht des jetzadle kapiert?“
Hochdeutsch / derb
Der Schwabe kann vielleicht kein Hochdeutsch, aber er kann das „Zitat“ auch formvollendeter zum Ausdruck bringen:
Analog zu einem intensiven Streitgespräch mit einem Reigschmeckten (Nichtschwabe) kann der nach Zuneigung strebende Schwabe seinem Gegenüber eine wohlformuliertere Aufforderung anbieten, die im Ergebnis nichts anderes zulässt, als dass dieser ihn gemäß des Zitates von Götz von Berlichingen dazu auffordere "ich sag`s ihm, er kann mich im Arsche lecken“.
… Mein lieber Freund (… das ist der erste ultimative Fehdehand-schuh, den ein Schwabe seinem Gegenüber anbietet, da ein Schwabe keinen „lieben Freund“ hat), seien Sie dessen gewiss, dass meinem Arsche kein Gitter vorgebaut ist.
… Sie können also völlig barrierefrei an diesen gelangen, ohne sich persönlich der Gefahr auszusetzen, einen Nasenbeinbruch einzufangen (… das ist dann der erste Warnhinweis eines Schwabens, dass er durchaus in Erwägung zieht, bei weiterer Eskalation die verbale Ebene zu verlassen, um in die eher körperlich betonte Streitebene zu wechseln).
… Wenn Sie alsbald dort angekommen sind, an dessen Ort ich Sie hiermit einlade, können Sie Ihr Zungenspiel, je nach Belieben und Neigung, sowohl waagrecht, als auch senkrecht ausführen (… damit meint er „kreuz- und querweis“).
… Es steht Ihnen selbstverständlich frei, ohne fremdgesteuerten Einfluss, die zu diesem Zwecke eingenommene Kopf- und Zungenhaltung selbstständig zu beenden, sofern sie meiner unverfänglichen Aufforderung nachgekommen sind.
… Seien Sie aber dessen gewiss, dass Ihre möglichen Handlungen an meinem Allerwertesten meine Grundeinstellung zu Ihrer Person nicht verändern werden.
Ein wenig „schwäbisch“ muss dann doch sein: „Du bischt ond bleibscht an granadamäsiger Grasdackel, der d Kopf grad dozu uff`m Hals trägt, dass em Sonn net d Maga verbrennt … Dei Hirn scheint scho d Sonnahitz zum Opfer gfalla, aber dofür koscht halt nix“
Begeisterung
Schwaben, in persona die männliche Spezies, sitzen gerne im Cafe an der Promenade und genießen den weiblichen Charme der Passantinnen. Hierbei kann es passieren, dass sich ein Schwabe zu einem Nebenmann am anderen Tische rüber beugt und begeisternd fragt: … hen se dia do gseh? … do leckscht me scho am Arsch, dia hot Beila vom Arsch bis uff da Boda na … und a Fahrwerk wie en Jaguar …
Sollte der Nebenmann am anderen Tisch kein gebürtiger Schwabe sein, sondern ein Bembel-Hesse und dem Verlauf der Wortaussprache des begeisterten Schwabe nicht hat folgen können, kann es durchaus vorkommen, dass der Schwabe zu „Bruddeln“ anfängt: … a, leck me doch glatt am Arsch, scho wieder so an Reigschmeckder, mit dem mer net recht schwetza ko … schad drom, send halt net alle so sprachversiert wia mir.
Rückblick und Erstaunen
Es ist in der Summe verwunderlich, mit wie viel an gesagten „Ausdrücken“ der Schwabe auf sein gemeistertes Leben zurückblicken kann, wenn sein Lebenslicht sich langsam dem Ende neigt.
Es vergeht kaum eine Woche; ach was, kaum ein Tag, wenn nicht gar eine Stunde eines umtriebigen Schwaben, in welcher sich nicht zwangsläufig die Zahl derer erhöht, die diesen gesellig am Arsche lecken können.
… und tiefes Erstaunen
Lieber Leser, sehen Sie mich mit Erstaunen: „Ja, do leckscht me doch am Arsch, dass des so viele send, des hätt i au net denkt!“
Bis die Tage ...
Euer Schwob
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